Inklusion im Triathlon: Kim Cremer über Offenheit, Motivation und den Wert guter Vereinsarbeit

10.10.2025 –  Anne Schlüchtermann

Inklusion im Triathlon beginnt mit Offenheit.
Para-Triathlet Kim Cremer zeigt, wie Motivation, Mut und gute Vereinsarbeit Barrieren überwinden können.
Seine Geschichte inspiriert und macht Mut, Inklusion im Verein aktiv zu leben. 💚

Kim Cremer ist ein inspirierendes Beispiel dafür, wie Inklusion im Sport gelingen kann, wenn Offenheit, Engagement und passende Strukturen zusammenkommen. Nach einem schweren Verkehrsunfall musste ihm der linke Unterschenkel amputiert werden. Statt sich entmutigen zu lassen, suchte Kim neue Wege und fand sie im Triathlon.

Mit Unterstützung des Vereins Mettmann-Sport und den TRIandertalern, engagierten Trainer*innen und durch gezielte Förderangebote des Behinderten- und Rehabilitationssportverband Nordrhein-Westfalen e.V. (BRSNW), gelang ihm ein beeindruckender sportlicher Weg. Im Juli 2024 wurde er - nach vielen Top-Ergebnissen u.a. zwei vierten Weltcup-Rängen - Zweiter beim World Triathlon Para Cup im ungarischen Tata. Die Qualifikation für die Paralympischen Spiele in Paris verpasste er nur hauchdünn.

In einem ausführlichen Interview gibt Kim ehrliche Einblicke in seinen sportlichen Werdegang, seine Erfahrungen im Vereinssport und macht Mut zur Offenheit und Weiterentwicklung.

Kim Cremer beim Lauftraining mit Prothese

Wie bist Du zum Triathlon gekommen?


Ich habe nach einem Halbmarathon gemerkt, dass der reine Laufsport sehr belastend für meinen Stumpf ist und ich danach nicht sofort in meinen Alltag übergehen konnte. Dann wollte eine Freundin mich als Läufer für eine Triathlon-Staffel. In der Recherche über Triathlon fand ich heraus, dass es auch Paratriathlon gibt. Nach ein paar Schwimmeinheiten von 50 m Überlebenskampf war mein Ehrgeiz geweckt – ich wollte es lernen und umsetzen.

Was bedeutet Dir der Sport persönlich?


Triathlon ist für mich eine fortwährende Lehre. Die größte Lehre war es, sich nicht in jedem Training gnadenlos abzuschießen, geduldig zu bleiben und dem Prozess zu vertrauen. Dadurch bin ich viel geduldiger im Alltag geworden. Der Ausgleich zwischen drei Sportarten ist zeitintensiv, aber die Abwechslung halt ultraangenehm. Dann im Rennen alles zusammenzupacken und im internationalen Feld zu starten, war das Größte im Leben, was ich sportlich erreicht habe.

Welche Angebote gab es für Dich zum Einstieg?


Ich durfte durch den BRSNW bei den Paraschwimmern mit trainieren, wodurch ich sehr schnelle Fortschritte im Schwimmen machen konnte. Für diese Möglichkeit war bzw. bin ich sehr dankbar!

Kim auf der Radstrecke beim Para World Cup

Welche Erfahrungen hast Du als Athlet mit Behinderung im Vereinssport gemacht – positiv wie negativ?


Eigentlich nur Positives. Offene Kommunikation ist der Schlüssel. Anforderungen abwägen, Voraussetzungen prüfen und dann schauen, ob man z. B. mit den Trainingsstätten klarkommt. Menschlich wurde ich immer mit etwas Respekt/Angst, aber offenen Armen empfangen. Ich habe immer mutige Trainer gefunden, die mit mir den richtigen Weg abseits der Normalität gefunden und mich ohne Rücksicht auf meine Amputation gefordert haben.
Negativ wurde ich nur einmal in einem Rennen „angesprochen“ – von einem, den ich überholt hatte. Er ranzte mich an, wie unfair das mit der Prothese beim Laufen wäre, hätte er so eine Feder, wäre er auch so schnell. Solche Negativlinge überhöre ich dann gern. Da weiß ich sofort, dass die Menschen nur mit sich selbst unzufrieden sind.

Was war für Dich hilfreich oder erleichternd beim Einstieg?


Bundestrainer Tom Kosmehl hat sich sehr viel Zeit am Telefon genommen, mich zum Para-Training in Potsdam eingeladen und mir immer stets offen gesagt, wo meine Schwächen sind. Damit kann ich arbeiten. Daheim hatte ich offene Trainer und durch den BRSNW die Möglichkeit, bei Pascal und Mitja bei den Paraschwimmern am Landesstützpunkt mitzuarbeiten. Auch mein Heimverein Mettmann Sport bzw. die Triandertaler haben sich immer bemüht, mich zu fördern und selbst sehr viel über Para Sport gelernt. Dieses ewige Miteinander hat mir den Einstieg leicht gemacht und mich in Zugzwang gebracht – ich hatte keine Ausrede :D

Kim im ungarischen Tata beim Para World Cup

Was würdest Du Vereinen raten, die inklusiver werden möchten?


Offenheit, Lernbereitschaft und Erwartungen runterschrauben. Sind wir ehrlich – mit einer Unterschenkelamputation ist man noch geringfügig eingeschränkt, kann vieles mit einer Prothese händeln. Was aber, wenn ein Rollstuhlfahrer Sport machen möchte oder jemand mit kompletter Sehbehinderung? Da muss man sich reinknien wollen, umdenken und Interesse haben. Niederschwellige Einstiegsangebote und Integration in Sportgruppen mit Nichtbehinderten – da, wo es Sinn macht.

Was wünschst Du Dir persönlich für die Zukunft des inklusiven Triathlons?


Inklusion im Triathlon bedeutet für mich nicht, dass alle gleich sind, sondern dass jede*r mit seinen individuellen Voraussetzungen willkommen ist. Und genau das sollte zur Normalität werden.

Kim beim Para World Cup in Tata auf dem Podium

Warum Kims Geschichte wichtig ist

Kims sportlicher Weg zeigt, wie viel durch Offenheit, Unterstützung und den Mut zum Umdenken möglich ist. Inklusion ist keine Zusatzaufgabe, sondern ein Gewinn für Vereine, für den Sport und für die Gesellschaft.

Wir möchten mit Eurer Hilfe noch mehr über vorhandene Strukturen, Hürden und Chancen lernen. Deshalb bitten wir alle Vereinsverantwortlichen in NRW, sich an unserer Umfrage zur Inklusion im Triathlon zu beteiligen.

👉 Hier geht’s zur Umfrage
🕒 Dauer: ca. 5–20 Minuten
📅 Bis zum 26.10.2025

💬 Rückfragen, Ideen oder Unterstützungsbedarf? Meldet Euch gerne bei uns. Gemeinsam gestalten wir Triathlon für alle.

NRWTV Vereins-Umfrage Inklusion